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Verhandlung per Videokonferenz: Gesamte Richterbank muss im Bild zu sehen sein

Mündliche Verhandlungen der Finanzgerichte (FG) können nach der Finanzgerichtsordnung auch per Videokonferenz durchgeführt werden. Die Gerichte können es den Prozessbeteiligten und ihren Bevollmächtigten zu diesem Zweck gestatten, sich zur Verhandlung von einem anderen Ort als dem Sitzungssaal zuschalten zu lassen und von dort Verfahrenshandlungen vorzunehmen. Auch Zeugen und Sachverständige können auf diese Weise per Video zugeschaltet werden.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat jetzt entschieden, dass ein finanzgerichtliches Urteil auf einem Verfahrensmangel beruht, wenn während der per Videokonferenz durchgeführten mündlichen Verhandlung nicht alle zur Entscheidung berufenen Richter für die zugeschalteten Beteiligten sichtbar sind. Im zugrunde liegenden Fall war während der überwiegenden Zeit nur der Vorsitzende Richter des Senats im Bild zu sehen gewesen. Der BFH verwies darauf, dass für die Prozessbeteiligten auch während einer Videokonferenz feststellbar sein müsse, ob die beteiligten Richter in der Lage sind, der Verhandlung in ihren wesentlichen Abschnitten zu folgen. So kurios es klingen mag: Es muss feststellbar sein, ob ein Richter eingeschlafen ist, erst verspätet auf der Richterbank Platz genommen hat oder vorzeitig gegangen ist.

Die Videoübertragung im zugrunde liegenden Fall hatte sich auf den Vorsitzenden Richter fokussiert, so dass der Anspruch der Klägerseite auf die vorschriftsmäßige Besetzung des erkennenden Gerichts verletzt war. Der BFH erklärte, dass die Videoübertragungstechnik "ohne Verlust rechtstaatlicher Qualität" genutzt werden solle, so dass auch zugeschaltete Prozessbeteiligte die vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts und damit die Anwesenheit aller Mitglieder des Spruchkörpers feststellen könnten. Nach dem Urteil müssen Verfahrensbeteiligte die Möglichkeit haben, die anderen Verfahrensbeteiligten und alle Mitglieder des Gerichts sowohl visuell als auch akustisch wahrzunehmen.

Hinweis: Der BFH hob das folglich mängelbehaftete FG-Urteil auf und verwies die Sache zurück an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung. Ob das FG nun im zweiten Rechtsgang erneut per Videoschaltung oder in Präsenz verhandeln wird, bleibt abzuwarten.

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(aus: Ausgabe 10/2023)

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